Ungeplant schwanger – meine Erfahrungen.

von | 20.10.2022

Von Au! zu Wow! Diese Lebenskrise war ein echter Glücksfall.

Lebenskrisen reißen uns den Boden unter den Füßen weg. Und manchmal dauert es ziemlich lang, bis wir wieder Halt finden, in uns selbst und im Leben. Diesen Blogartikel habe ich im Rahmen der wunderbaren Blogparade von Djuke Nickelsen: https://djuke-nickelsen.de/blogparade-von-au-zu-wow/ verfasst. Das Thema passt einfach wie die Faust aufs Auge. Und so teile ich heute meine ganz persönlichen Erfahrungen einer ungeplanten Schwangerschaft.

Ich erinnere mich noch zu gut an den Moment, der mein Leben von jetzt auf gleich vollkommen veränderte. Als wäre es gestern gewesen. Tatsächlich ist es schon mehr als acht Jahre her. Zwei kleine Striche machten sichtbar, was ich bereits ahnte und doch auch nicht ahnen wollte: ich bin schwanger. Da wächst ein Mensch in mir!

Meine Reaktion? Eine Nicht-Reaktion (gibt es sowas?). Erstarrung. Nebelsuppe im Kopf. Nach vorne gehen wollte ich nicht, zurück konnte ich nicht. Ausharren im Moment. Einige Tiere erstarren ja, wenn Gefahr droht. Sie stellen sich auf eindrucksvolle Weise tot mit allem was dazugehört: Verwesungsgeruch, Zunge aus dem Mund, völlig Bewegungslosigkeit. Ist die Gefahr vorüber, erstehen sie von den Toten auf und leben munter weiter.

Aber was tun, wenn die Bedrohung nicht vorübergeht?

Ja, bedrohlich fühlten sich die beiden rosa Striche tatsächlich an. Eine Bedrohung meiner bisherigen Lebensvorstellungen (okay, so genau waren die damals nicht, aber es kam auf jeden Fall noch kein Kind darin vor, so viel stand fest), eine Bedrohung für meine Freiheit, eine Bedrohung für meine Unbekümmertheit. Eine Bedrohung für mein Ich.

So viele Gefühle brachen sich ihre Bahn.

Nach der Starre brachen sich die Gefühle ihre Bahn. Diejenigen, die man halt nicht so gerne mag. Angst vor allem. Angst vor dem eigenen Leben. Angst vor der Person, die ich als Mutter sein werde. Trauer auch. Darüber, dass ich plötzlich nicht mehr tun und lassen konnte was ich wollte. Wut. Auf mich selbst vor allem. Wenn man Fehler macht, bekommt man eben die Quittung dafür.

Zu den Gefühlen gesellten sich schließlich Gedanken. Schließlich musste ich das Kind ja nicht bekommen. Oder doch? Entscheidungen hatte ich immer gern abgegeben. Kann mir verdammt nochmal jemand sagen, was ich tun soll!!? Mein damaliger Freund und werdender Papa freute sich. In anderen Ländern war ein Kind eben kein Problem, wenn es sich zur falschen Zeit ankündigt. Dieser Gedanke gefiel mir. Trotzdem sah ich es noch als Problem.

Wie ein entschlossenes Ja! fühlte es sich auch Monate später noch nicht an, als mein runder werdender Bauch und die ersten zarten Bewegungen in mir drin die Wahrheit immer sichtbarer und fühlbarer werden ließen.

Zu viele Sorgen machten sich in meinem Kopf breit. Kein Job, kein Geld auf dem Konto und keine Wohnung. Dass ich mir damals dafür den „Selbst Schuld, bist halt doof-Orden“ verlieh, verschlimmerte die ganze Sache nochmal dezent.

Dinge, die mich in meiner ungeplanten Schwangerschaft weitergebracht & nicht weitergebracht haben.

Es hat mich einige Tage, Wochen und Monate gekostet, bis sich mein neues Leben auch tatsächlich nach meinem Leben anfühlte. Es gab solche Tage und solche Tage. Es gab Dinge, die mich wenig weitergebracht haben und es gab Dinge die mich viel weitergebracht haben.

Zu den Dingen, die mich nicht voranbracht haben gehörte mein Gedankenkreisen. Wie es halt so ist, wenn man im Kreis geht. Man kommt dahin zurück, wo man angefangen hat, also im Prinzip keinen Schritt weiter. Damals hatte ich das Gefühl, diesen Kreis nicht auflösen zu können. Ihn in meinem Kopf immer wieder und wieder gehen zu müssen.

Zu den Dingen, die mich viel vorangebracht haben gehörte die Erkenntnis, dass es da einen Raum gibt zwischen diesen ewigen Gedankenkreisen und mir selbst. Als ich merkte, dass ich mich in diesen Strom aus Gedanken nicht immer weiterziehen lassen muss, sondern dass ich in Wirklichkeit in einem Boot sitze und den Strom von oben betrachten kann, da fühlte ich mich mit einem Mal befreit. Befreit von mir selbst.

Zu den Dingen, dich mich nicht weitergebracht haben, gehörte außerdem, dass ich mich selbst für meine Situation verurteilte, in die ich mich da gebracht hatte. Und gegen etwas anzukämpfen, das nunmal einfach die neue Realität war plus sich selbst dafür fertigzumachen ist nicht wirklich förderlich. Null Komma null.  

Zu den Dingen, die mich viel weitergebracht haben, gehörte mein grundsätzliches Vertrauen in das Leben und dass die Dinge schon wieder irgendwie gut werden. Dieses Vertrauen war irgendwann größer als meine Selbstkritik. Ein inneres Wissen, dass ich das hinkriege, dass es das Leben gut mit uns meint und dass wir immer mit genügend persönliche Stärken ausgestattet sind, um unser Leben meistern zu können.

Zu den Dingen, die mich nicht vorangebracht haben, gehörte die Zeit, die ich mit Menschen verbracht habe, die mich noch mehr runtergezogen haben. Die meine Ängste noch geschürt haben, die mir mit Dingen kamen, um die man sich doch Sorgen machen musste und deren Gedanken sich genauso im Kreis drehten wie die meinen. Auch doppelte Kreise für nicht zum Ziel.

Zu den Dingen, die mich weitergebracht haben gehörten Menschen, die mir gutgetan haben. Die mir gezeigt haben, dass es abseits von der Schwangerschaft auch noch andere Dinge im Leben gibt, die lustig, komisch oder erst zu nehmend sind. Die nicht mit mir im Kreis liefen, sondern mir zeigten, dass man sich durchaus mal überlegen kann, wohin man denn laufen will mit seinen Gedanken – nach links, nach rechts oder geradeaus? Die, die mir zuhörten statt selbst zu reden und an mich glaubten.

Aus allen Erfahrungen meiner ungeplanten Schwangerschaft war diese Erkenntnis besonders wichtig für mich.

Eine Erfahrung während meine ungeplanten Schwangerschaft (die zugegeben etwas auf sich warten ließ) hat mir besonders weitergeholfen. Nämlich die, dass ich selbst mein Leben immer in der Hand habe. Dass ich diejenige bin, die entscheidet, wie ich über etwas denke, wie ich die Situation bewerte, welche Bedeutung ich ihr beimesse.

War es wirklich so, dass die ungeplante Schwangerschaft mein Leben zum Schlechten veränderte?

War es wirklich so, dass die ungeplante Schwangerschaft von nun an bestimmte, wie mein Leben verläuft?

War es wirklich so, dass ich mir selbst mein Leben versaut habe?

Oder war es vielleicht ganz anders?

Veränderte die Schwangerschaft mein Leben vielleicht sogar zum Guten, weil sie mich über mich selbst hinauswachsen ließ?

Ließ nicht die Schwangerschaft mich überhaupt zum ersten Mal in meinem Leben darüber nachdenken, wie und wohin es mich überhaupt führen sollte?

Und war die Schwangerschaft alles in allem nicht eine Erfahrung, die mich sehr viel über mich und das Leben gelehrt hat?

Dieser AHA-Moment, das Wissen, dass ich immer entscheiden kann wie ich eine Situation bewerte und interpretiere, hat einen großen Stein ins Rollen gebracht.

Es war keine Wandlung von heute auf morgen. Schritt für Schritt änderte sich meine Sicht auf das, was geschehen war. Und ich konnte mich mehr und mehr mit mir selbst aussöhnen.

Durch meine ungeplante Schwangerschaft durfte ich mich selbst mehr kennenlernen, an meinen tiefsten und an meinen höchsten Punkten. Ich durfte erfahren, wo meine persönlichen Stärken liegen. Ich durfte feststellen, dass jede Krise irgendwann vorbeigeht und das Leben uns immer irgendwie hält. Ich durfte lernen, dass ein Tiefpunkt so richtig wehtun kann. Und dass er zugleich eine unglaubliche Bereicherung sein kann, wenn ich bereit bin hinzuschauen, welche wertvollen Lektionen ich aus diesem Tiefpunkt zutage befördere. Und ich darf seitdem jeden Tag erfahren, wie ehrlich ein Kinderherz ist, wie viel reine Liebe in einer Kinderumarmung steckt und wie schön es ist, die Welt wieder aus Kinderaugen zu betrachten: Jetzt. Dieser eine Moment. Vollkommene Begeisterung für das Leben. Danke Noah!