Du bist schwanger. Und auch wenn du dir manchmal wünschst, es wäre doch alles anders gelaufen vor ein paar Wochen oder Monaten, weißt du genauso gut wie ich, dass sich die Zeit nicht mehr zurückdrehen lässt. Etwas anzunehmen, dass wir so nicht geplant haben und nicht gewollt haben, fällt uns nicht leicht. Dies liegt auch daran, dass wir in einer Gesellschaft aufgewachsen sind, in der Planen und den Plan verfolgen eine der Königsdisziplinen ist. Und wenn du das nicht schaffst, hast du dein Leben nicht so recht im Griff. Aber ist es wirklich so? Musst du dich unweigerlich diesen Gedanken ausliefern, planlos zu sein, etwas falsch gemacht zu haben, deine Zukunft versaut zu haben? Musst du dich jetzt schlecht fühlen, weil du ungewollt schwanger bist? Ich meine nein.
Gerade bis du womöglich so ziemlich down. Eine ungewollte Schwangerschaft bereitet vielen Frauen ein unermessliches Gefühlschaos und stellt eine wirkliche Krise in ihrem Leben dar, die es zu überwinden gilt. Es ist ein Ereignis, das du wohl für immer als einen deiner großen Schockmomente im Leben in deinen Erinnerungen abspeichern wirst. Dein Körper und Geist befinden sich vermutlich im Moment hochgradig im Stressmodus und dir geht es gar nicht gut, du kommst nicht zu Ruhe, kannst vielleicht nicht gut schlafen, deine Gedanken kreisen von A nach B und wieder zurück nach A.
Das ist zunächst mal alles andere als verwunderlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir in einer Situation Stress erleben, hat mit verschiedenen Faktoren zu tun. Wenn die neue Situation zum Beispiel intensiv ist und lange andauert, wenn sie für dich unbekannt und nicht kontrollierbar erscheint, nicht vorhersagbar ist und eine große persönliche Bedeutung für dich hat, ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir Stress erleben sehr hoch.
In Sachen Krisen ist eine
ungewollte Schwangerschaft ein Sechser im Lotto.
Wenn ich mir all diese Faktoren so ansehe würde ich sage, eine ungeplante Schwangerschaft ist hier ein Sechser im Lotto.
Da ist ja nun wirklich alles dabei. Die Situation war für dich nicht vorherzusehen, hat natürlich eine riesengroße Bedeutung in deinem zukünftigen Leben, sie wird so ungefähr achtzehn kurze Jährchen lang andauern und ist komplettes Neuland für dich. Wow, hier cool zu bleiben, ist ungefähr so unmöglich wie auf nem Fahrrad im Rückwärtsgang auf den Mond zu düsen. No way. Falls du also grade am Durchdrehen bist – damit liegst du völlig im Durchschnitt, meine Liebe.
Auch wenn es aber anfangs allzu verständlich ist, dass du unter Stress stehst, sollte dieser Zustand im besten Fall keine Ewigkeit andauern. Und hier macht es Sinn, dass du dir mal genauer ansiehst, was dich am meisten stresst und woher deine größten Ängste kommen. Du bist ungewollt schwanger und fühlst dich deswegen schlecht. Warum genau ist das so?
Schnapp dir doch mal kurz Stift und Zettel und mach dir Notizen. Was steht da am Ende alles? Hast du Angst davor, dein Studium mit Kind nicht zu schaffen, später keine Arbeit zu finden, in einer zu kleinen Wohnung zu wohnen oder fühlst du dich schlecht, weil du Angst vor den Reaktionen der anderen hast?
Warum genau fühlst du dich durch deine ungewollte Schwangerschaft schlecht?
Vielleicht habe ich ein paar von den Punkten getroffen, die auch du dir aufgeschrieben oder überlegt hast, vielleicht sind es auch ganz andere Aspekte. Deine Ängste und Sorgen sind absolut berechtigt. Alles was da ist, darf auch da sein.
Die Frage, dich ich mir hierbei aber immer wieder stelle ist: sind deine Ängste ganz und gar objektiv – würde jede werdende Mama auf der Welt von denselben Ängsten, Sorgen und Zweifeln geplagt werden? Ich meine, kommt die Angst aus uns heraus oder ist sie vielleicht von außen in uns hineingekommen – womöglich schon vor langer langer Zeit? Ist es ganz natürlich, dass du dir Sorgen machen musst, weil du deine Ausbildung noch nicht abgeschlossen hast oder in einer 1-Zimmer-Wohnung wohnst? Oder meinst du nur, du müsstest dir Sorgen machen, weil du eben (unbewusst) so reagierst, wie es vermutlich die Gesellschaft erwartet?
Ich hoffe, du kannst mir hier gerade folgen, es ist keine ganz einfache Angelegenheit. Der Schock einer ungeplanten Schwangerschaft ist da. Viele Gedanken schießen dir durch den Kopf. Und dann? Wie geht es dann weiter? Dann kommen eben diese vielen Ängste und Sorgen. Sie sie dir einmal genau an. Ist es etwas, das dich tatsächlich ängstigt und stresst? Oder ist es eher so, dass du bei genauerem Hinschauen feststellst, dass die oder andere Sache zwar herausfordernd ist, aber noch lange kein Weltuntergang und du persönlich es gar nicht so tragisch findest?
Fühlst du dich schlecht, weil es in deiner Situation
schließlich so sein muss?
Fühlst du dich womöglich schlechter als nötig, weil du dir über Dinge Sorgen machst, über die man sich eben Sorgen macht, wenn man ungeplant schwanger geworden ist?
Ertappst du dich jetzt dabei, wie dir so einige Sätze mit dem schönen Wörtchen „man“ durch den Kopf flitzen? Sehr gut! Dieses Wörtchen ist nämlich ein sehr guter Indikator dafür, dass du gerade Dinge durchdenkst, die von außen kommen und nicht von dir selbst. Das macht man doch nicht, ein Kind vor der Ausbildung bekommen. Man kann doch mit Kind nicht in einer Wohnung ohne Kinderzimmer leben. Das macht man doch nicht! Oh wie ich diesen Satz liebe. Wer ist denn eigentlich dieser „man“?
Viel zu lange habe ich mich von diesen Sätzen angesprochen gefühlt. Aber ganz ehrlich, es setzt dich unnötig unter Druck. Ganz besonders in deiner jetzigen Situation. Die Schwangerschaft hat dich ziemlich aus der Bahn geworfen. Es gilt jetzt, dein Leben zu sortieren und neu zu planen. Zu schauen, welche Lebensbereiche so bleiben können, wir sie sind und welche Bereiche umgestaltet und angepasst werden müssen. Das ist herausfordernd. Und natürlich werden da auch Ängste sein, die aus dir herauskommen. Und mit denen solltest du dich auch auseinandersetzen.
Aber überleg dir darüber hinaus, welche vermeintlichen Ängste du ganz schnell über Bord werfen kannst. Eben weil es nicht deine Ängste sind, sondern die deines Umfelds oder unserer ganzen Gesellschaft. Ich bin mir sicher du wirst einige finden. Dinge, von denen du denkst, du müsstest dir jetzt über sie Sorgen machen, denn schließlich ist das normal so. Aber ist es das wirklich? Musst du dich schlecht fühlen, weil du ungeplant schwanger geworden bist und somit kein Leben lebst, wie es doch eigentlich sein soll, wie man es doch eigentlich richtig macht?
Was aus deiner Angst-Liste kannst du über Bord werfen?
Schau mal, was du aus deiner Liste streichen kannst, weil es gar nicht deine eigene Angst ist, sondern eine „das macht man doch so nicht“-Angst. Es muss dich nicht unnötig stressen, dass dein Baby erstmal bei dir im Bett schläft, weil deine Wohnung zu klein ist oder du in einer WG oder zuhause wohnst. Nur weil deine Mutter das sagt (du es aber irgendwie ganz schön findest). Es muss dir keine schlaflosen Nächste bereiten, dass du dein Studium ein Jahr unterbrichst und noch kein eigenes Geld verdienst. Nur weil das dein Vater findet (du aber eigentlich weißt, dass du nicht die Einzige bist, die länger studiert als man das eigentlich macht und du außerdem gut mit deinem Geld über die Runden kommst).
Es ist manchmal nicht gerade leicht, die eigenen Ängste, die aus unserem Inneren kommen, zu erkennen und alles andere weiterziehen zu lassen.
Anfangs kannst du deine Ängste und die der anderen vielleicht noch nicht unterscheiden. Spüre dazu genau in dich hinein. Achte auf die „man“-Sätze. Und achte auch auf Sätze, die gar nicht nach dir klingen, sondern eher nach deinen Eltern oder anderen Bezugspersonen, bei denen du aufgewachsen bist. Aus unserer Kindheit haben wir nämlich eine ganze Menge solcher Glaubenssätze mitgenommen. Jetzt ist eine gute Zeit, dir denjenigen Glaubenssätzen genauer anzuschauen, die bei dem Thema ungeplante Schwangerschaft nun nach und nach auftauchen werden oder and die Oberfläche gekommen sind. Am Ende werden noch die Ängste bleiben und die Sorgen, die du dir selbst machst. Und das werden weiß Gott noch genügend sein. Aber hör auf, dich schlecht zu fühlen, weil du irgendwie meinst, du musst dich jetzt schlecht fühlen. Schließlich bist du ja ungeplant schwanger geworden und das macht man nicht. Und da ist schon wieder so ein „man“-Satz.
Es gibt keinen Grund sich schlecht zu fühlen, nur weil man das nicht macht – ungeplant schwanger werden.
Es wimmelt nur so von „man“-Sätzen in unseren Gedanken und unseren Gesprächen. Diese Sätze benutzen wird, weil es manchmal ganz einfach bequem ist. Es ist eine Meinung, aber du musst irgendwie nicht so richtig dahinterstehen, wenn du man statt ich sagst. Diese Sätze beinhalten ganz oft Meinungen, die sich in der Gesellschaft gebildet haben. Und dann sagt man die Sätze so dahin, Generation für Generation, ohne sie je zu hinterfragen.
Allzu oft beeinflussen und diese Sätze, egal ob ausgesprochen oder nur gedacht, und sie lassen uns schlecht fühlen. Aber jetzt ist Schluss damit. Jetzt weißt du Bescheid und du weißt, dass du dir einmal ganz genau anschauen solltest, warum du dich gerade schlecht fühlst und unter Stress stehst. Am Ende hat es vielleicht viel mehr mit den Erwartungen der Gesellschaft als mit dir selbst zu tun. Das zu erkennen ist nicht leicht. Aber ein sehr wichtiger Schritt in Richtung selbstbestimmtes Leben und selbstbestimmte Mutterschaft.
Ich wünsche dir viel Erfolg dabei! Mit leichtem Gepäck segelt es sich einfach angenehmer durch das Meer des Lebens.
Alles Liebe
deine Barbara von MaMitA